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- Das seit Mitte 2023 leerstehende Gebäude des früheren 'Edeka'-Marktes in Wahlscheid
Alter 'Edeka'-Markt soll zum 'Haus Allemannsrecht' werden
Vor zwei Jahren, im Juni 2023, wurde der 'Edeka'-Markt im Zentrum von Wahlscheid geschlossen. Schon zuvor - nach Bekanntwerden der bevorstehenden Geschäftsaufgabe Anfang 2023 - hatte die Stadtverwaltung Kontakt zu möglichen anderen Betreibern aufgenommen. Ziel war die Sicherstellung einer fußläufigen Nahversorgung im Ortskern.
Angefragt wurden laut Stadtverwaltung die Handelsketten 'Rewe', 'nahkauf', 'Denns Biomarkt', 'naturata', 'tegut', 'Netto' und weitere, ebenso Investoren. Doch es habe nur Absagen gegeben - wegen der mit nur 400 Quadratmeter Verkaufsfläche geringen Größe für den Lebensmittel-Handel, der grundsätzlichen Lage oder Fragen der Finanzierung. Das gut 1.100 Quadratmeter große Grundstück mit dem Gebäude war vom Makler des Inhabers für knapp 700.000 Euro inseriert worden.
Um keine Möglichkeiten der Ortskernentwicklung zu gefährden, hatte die Politik schon im März 2023 eine sogenannte Veränderungssperre beschlossen, die im Februar dieses Jahres verlängert wurde. Kurz zuvor war eine neue Idee an Bürgermeisterin Claudia Wieja herangetragen worden, die aus dem Umfeld Wahlscheids kam. Sarah Jacobsen und Angelika Pleuger möchten an diesem Standort einen Ort für Inklusion, Begegnung, Kultur, Bildung und Events schaffen – einen Wohn- und Arbeitsort mit dem Ziel, „eine Umgebung, die Freiheit, Teilhabe, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit verbindet“, zu ermöglichen.
Das Projekt steht unter dem Namen und Motto "Haus Allemannsrecht - wo Vielfalt zuhause ist". Der Begriff ist an die skandinavischen Wörter für das Jedermannsrecht angelehnt, das das Recht beschreibt, Grundstücke in der Natur unabhängig von den Besitzverhältnissen zu betreten und in gewissem Umfang zu nutzen. Beim Projekt in Wahlscheid , einem "Haus für alle", soll das Recht der/des Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Leben umgesetzt werden - unabhängig von geistigen oder körperlichen Einschränkungen. Dabei sollen inklusives Wohnen und Arbeiten miteinander verknüpft werden.
So sind im Obergeschoss des zukünftigen Gebäudes sechs barrierefreie Wohnungen beziehungsweise Wohngemeinschaften für betreutes Wohnen vorgesehen. Im Erdgeschoss soll ein Café mit Außengastronomie als Begegnungsort - generations-übergreifend für alle gesellschaftlichen Gruppen - angesiedelt werden. Des weiteren sollen Nutzflächen vermietet und Multifunktionsräume mit integrativem Hintergrund für Gesundheitskurse, Bildungsangebote und Events vorgehalten werden. "Das gesamte Haus wird als ein Ort der Begegnung, der gegenseitigen Unterstützung und der beruflichen sowie sozialen Teilhabe gestaltet", so die beiden Initiatorinnen.
Mit dem Projekt sollen inklusive Ausbildungs- und Arbeitsplätze, darunter für die Hausbewohner/innen, geschaffen werden. Im Café könnten sechs bis acht Stellen entstehen, zwei weitere für die Versorgung der Bewohner/innen. Auch ein Lebensmittel-Lieferdienst für Menschen mit Einschränkungen im Umfeld von Wahlscheid ist angedacht. Zudem werde eine Kooperation mit dem nahen Seniorenheim angestrebt. Man sieht sich als Vorstufe zu einer Pflegeeinrichtung, ohne selbst Pflegebedarf abzudecken.

- Unternehmerin Sarah Jacobsen (links) mit Bürgermeisterin Claudia Wieja
Seit zehn Jahren würden die Überlegungen für ein solches Projekt schon reifen. Sarah Jacobsen (37) aus Hausen bringt langjährige berufliche Erfahrungen aus der Event-Branche und verschiedenen Facetten der Gastronomie mit, ist zudem Betriebswirtin. Angelika Pleuger (50) aus Kreuznaaf hat Ausbildungen in der Kindertagespflege, als Masseurin, medizinische Bademeisterin und Motopädin abgeschlossen und besitzt langjährige Erfahrungen in Reha-Zentren und Praxen, aktuell der eigenen, weiterhin aus der Immobilienbranche. Beide eint die Motivation, das Projekt als Herzensangelegenheit zu betrachten und nicht nur als berufliche Herausforderung.
Unklar ist allerdings noch, ob das Vorhaben in dem Bestandsgebäude überhaupt umsetzbar ist. Denn dessen Statik wird als unzureichend eingeschätzt. So besitze es derzeit gar keine durchgehende zweite Etage im Hauptgebäude an der Wahlscheider Straße. Nur zu einem Drittel sei eine Etagendecke eingezogen, dieser Bereich sei für Büros genutzt worden. Im restlichen Supermarkt sei nur eine abgehängte Decke zu sehen gewesen. Entsprechend aufwendig sei die Herstellung eines vollwertigen Stockwerks für die Wohnetage. Die mangelnde Statik würde eventuell ein Ständerwerk notwendig machen.
Als wahrscheinlicher wird ein Abriss und Neubau auf dem Grundstück eingeschätzt, der den Raumbedarf des Projekts ohne statische Schwierigkeiten erfüllen könnte. Als besonders kostenintensiv werden dabei die baurechtlichen Auflagen bezeichnet, die für den beabsichtigten Nutzungszweck der Unterbringung von Menschen mit Handicap gelten. Anders als beim Bestandsbau könnte es im Falle eines Neubaus aber zu Problemen mit Einschränkungen im gültigen Bebauungsplan kommen, so Angaben das Maklerbüros.
Der Verkäufer der Immobilie würde dem Projekt den Zuschlag geben, heißt es. Es wird aber noch ein Investor gesucht. Interessenten können unter der Mail-Adresse
info(at)haus-allemannsrecht.de Kontakt mit den Initiatorinnen aufnehmen. Bei gesicherter Finanzierung sei eine Förderung durch den 'Landschaftsverband Rheinland' und die 'Aktion Mensch' wahrscheinlich, so die Einschätzung. Wenn sich das Projekt an dieser Stelle nicht umsetzen ließe, dann woanders, so die Zielsetzung. Für diesen Standort spreche jedoch die zentrale Lage in Wahlscheid und die vorhandene Infrastruktur mit Geschäften, Dienstleistern und Praxen im Umfeld. (cs)